Kreuz, ich liebe dich

1. Kor. 1, 23-25

Wir Menschen leiden. Das ist keine spektakuläre Neuigkeit, sondern eine altbekannte und völlig offensichtliche Tatsache, mit der wir immer wieder konfrontiert werden. Dabei gibt es ganz verschiede Arten von Leiden. Wenn ich abends zu viel gegessen habe, dann leide ich unter Schlafstörungen, weil mein Magen Schwerarbeit leisten muss. Wenn ich unter einer Maskenpflicht leide, leide ich unter meiner persönlichen Auffassung, die ich zu diesem Thema habe. Es gibt Leid, das wir uns selbst und anderen zufügen, das nicht mit dem Leid zu tun hat, das wir heute anschauen wollen.

1. Das verstehe ich nicht

Am Kreuz sterben, ist für die Juden eine Gotteslästerung und für die Griechen blanker Unsinn.

Wie kann ein Gott der Liebe, soviel Leid auf dieser Erde zulassen? Wer will in einem Folterwerkzeug wie dem Kreuz schon etwas Gutes erkennen? Zu allen Zeiten haben die Menschen ein Problem mit dem Kreuz. Gott und Kreuz passen überhaupt nicht zusammen. Selbst die Theologen beißen sich an der Theodizee-Frage die Zähne aus und verstummen, weil sie keine schlüssige Antwort finden. Der menschliche Geist läuft Amok, über der Vorstellung, dass Gott wohl blutrünstig ist. Unser Harmonie-Verständnis vom lieben Gott, wird auf das heftigste erschüttert.

Was soll darin für ein Sinn liegen, wenn der Sohn mit 16 vom LKW überrollt wird, zwei Jahre danach der Mann stirbt, die Schwester gerade 44 wird und ein neuer Lebenspartner 15 Jahre später, innerhalb weniger Wochen von einem Bauchspeicheldrüsenkrebs dahingerafft wird? Zurück bleibt eine kontaktfreudige Frau, die sich im Kirchengemeinderat und Prädikantendienst engagiert und tiefe Einsamkeit verspürt. Der normale Mensch kann so etwas nicht verstehen.

Selbst bei Juden und Griechen, bei Frommen und Heiden, ist das Kreuz ein Dorn im Auge. Leid ist schlecht. Leid muss bekämpft und weggebetet werden. Leid hat in einem guten Leben nichts verloren. Ein menschliches Urteil, fällt über Gott her. Ein Mensch zieht Gott zur Rechenschaft. Ein paar Gehirnzellen ermessen, wie Schöpfung zu funktionieren hat. Die Frage, warum lässt Gott den Hagel zu, zeigt, dass sich ein Mensch schwer damit tut, sich der Realität zu stellen.

Leben wird lediglich auf der rationalen Ebene betrachtet, auf der sich der Verstand bewegt. Wer jedoch den heilsamen Zugang zum Leid erfahren möchte, braucht die Kunst, einen Schritt vom natürlichen Denken zurückzutreten und sich einer ganz anderen Weisheit zu öffnen.

2. Wer stirbt, lebt ewig

Christus, der von Gott erwählte Retter, musste am Kreuz sterben. Was Gott getan hat, übersteigt alle menschliche Weisheit, auch wenn es unsinnig erscheint; und was bei ihm wie Schwäche aussieht, übertrifft alle menschliche Stärke.

Das Kreuz kann kein Mensch verstehen. Leid öffnet jedoch Türen, die über dem menschlichen Horizont liegen. Leid empfinden wir als herrlich paradox zum natürlichen Leben. Der Sinn liegt dabei nicht im Verstehen, sondern im Gott erkennen. Das was alle menschliche Weisheit übersteigt, eröffnet sich nicht im Nachdenken, sondern in der Hingabe an das was ist. Die Weisheit Gottes entfaltet sich, wo der Mensch nicht im Widerstand zu dem steht, was passiert, sondern sich dem Ereignis hingibt. Ich denke in dem Augenblick nicht mehr nach, was Gott tut, sondern ergebe mich seinem Handeln. Ich komme vollkommen in dem an, was ich nicht verstehe, sondern an mir zulasse.

Um in der Weisheit anzukommen, liefere ich mich der absoluten Gottesgegenwart aus. Das Problem, der Schmerz, der jetzt da ist, will nicht meine menschliche Stärke, mein reiß dich zusammen, sondern meine ganze Hingabe. Die Antwort, die das Menschliche übersteigt, kommt aus dem Ja zum Leid. Die völlige Akzeptanz des Unabänderlichen, ist die Türe zur Weisheit. Es geht die Türe zu einer Welt auf, die jenseits der verstandesmäßigen Intelligenz liegt, und zu einem Schauen der Welt Gottes wird. Hier fließt der Strom des Heiligen Geistes. Hier sterben die unsäglichen Fragen in mir: Gott, was tust du mir an? Warum gerade ich? Hier stirbt die Identifizierung mit der materiellen Welt, um im Leid die Quelle des Lebens zu erfahren.

Christus muss am Kreuz sterben, um der Weisheit Gottes Raum auf dieser Erde zu schaffen. Rettung liegt in der Hingabe an das Kreuz. Viktor Frankl sagt: „Es gibt in dieser Welt viel aufzuleiden.“ In der Hingabe an die Widrigkeiten im KZ, erfuhr er im bitteren Schmerz seinen Sinn. Er kam mit dem Teil seines Lebens in Verbindung, der nie sterben kann.

3. Gekreuzigt werden macht weise

Und dennoch erfahren alle, die von Gott berufen sind – Juden wie Griechen –, gerade in diesem gekreuzigten Christus Gottes Kraft und Gottes Weisheit.

Eine Frau hatte eine Krankheit, bei der sie mehr und mehr ihr Augenlicht verlor. Sie akzeptierte den schmerzhaften Prozess, bald nicht mehr sehen zu können. Ein OP besserte zwar ihren Zustand. Doch wenn diese Besserung nicht eingetreten wäre, wäre es für sie nicht mehr wichtig gewesen. Die intensive Präsenz im Leid gab ihr die Kraft, die unabhängig war vom Verlauf ihrer Krankheit.

Die heilsame Herangehensweise an das Leid klingt sonderbar. Sie heißt, das Leid zu bejahen

  • Bewusst zu leiden
  • Leiden zu umarmen
  • sich erlauben, im Leiden verbrannt zu werden

Das zentrale Bild im Christentum ist ein leidender Mensch. Er verkörpert eine enorme Weisheit, die nicht ausgedrückt werden kann. Der Archetyp des Menschen ist intensives Leiden. Er gibt sich dem Leiden völlig hin. Er leidet ganz bewusst.

Das Bild des leidenden Christus lässt sich schwer in Worte fassen. Es ist die Möglichkeit, wenn einem Leiden widerfährt, bewusst zu leiden, in keinerlei Widerstand zu gehen und sich vom Leiden verbrennen lassen. Das Ego wird im Schmerz verbrannt und daraus kommt ein Mensch hervor, der frei von Leid ist. Eine Krankheit kann fort bestehen, doch viele haben sich darin ergeben und tiefgreifende Heilung erfahren. Der geistliche Zweck des Leidens ist, sich ihm zu ergeben und bewusst zu leiden. Beim Leiden zu sagen, ich leide mit Christus. Ich erlebe das Leid Christi.

Indem ich das tue, komme ich Christus näher und der Geist Christi erhebt sich in mir. Man kann das Bild vom Kreuz auf das eigene Leben anwenden. Sich selbst als diesen Menschen zu sehen, ist die vollständige Akzeptanz des Leidens, um dann in der reinen Gottesgegenwart anzukommen. Die Pforte dafür ist das Folterwerkzeug. Das Folterwerkzeug ist das Symbol, das in das Göttliche verwandelt. Das Kreuz ist beides – Folterwerkzeug und das Tor zum Göttlichen. Das Leid ist die Gnade, die den ganzen Reichtum des Himmels über der Erde ausschütten will. Es ist der heilige Engel, bei dem die schlimmste Katastrophe, die Gaben Gottes ins Leben wirft. Im Schmerz werden wir zu Neuem gebrannt.

Was ist das Geschenk, das gerade in meinem Schmerz zu mir fließen möchte?

Schmerzen sind gut

Getröstete, sehen Sterben als Gewinn.

„Als einer im Elend rief, hörte der Herr und half ihm aus all seinen Nöten.“
Ps. 34, 7

Das größte Unglück des Menschen ist, sich nur nach Glück und sonnigen Tagen zu sehnen. Wir sind inzwischen darauf geeicht, wenn die Sonne scheint, dies als schönen Tag zu bezeichnen. Sonne gleich gut und Regen gleich schlecht. Die Moderatoren beim Wetterbericht suggerieren uns das vor. Spätestens wenn im Sommer einige Wochen das Wasser fehlt, die Blumen ihre Köpfe hängen und die Bäume im Wald sterben, müssen wir erkennen, wir gut Regen ist. Gewitter ist nicht nur schädigende Bedrohung, es ist Befreiung, Reinigung, Entladung und Erneuerung. Die Stimmung nach einem Nachtgewitter ist wie eine Neuschöpfung. Wo in einem Leben die Fetzen fliegen, Dasein jämmerliche Formen annimmt, das Elend zum Himmel schreit, hat eine Schöpfungsstunde begonnen. Der Schöpfer arbeitet an seinem Werk. Wo die Blume in ihrer Schönheit abgeschnitten wird, in ein kunstvolles Altargesteck verarbeitet wird, wird sie zu einem Loblied. Ihre Existenz verehrt den Meister. Das Holzbrett wird unter dem zersägen, hobeln und schleifen zur Wohnzimmervitrine.
Jesus sagt: Wo das Weizenkorn in die Erde fällt und stirbt, bringt es viel Frucht. Die Bearbeitungsschritte des Lebens, die uns zersägen, abschneiden und zum Sterben bringen, das, was wir als Elend empfinden, sind die Wege zur Fruchtbarkeit.
Gerade im Leid liegen die Wege zur Vollkommenheit. Das Ungemütliche, die Kreuzwege, sind nötig für die Herrlichkeit. Die Seligpreisungen sprechen die, die Leid tragen glückselig. Sie trösten die Untröstlichen. Gerade die, die unter den Lasten stöhnen sind die Glücklichen. Nicht diejenigen, die von Lasten befreit sind. Jesus nimmt nicht den Schmerz, sondern er verwandelt ihn. In der Verwandlung, in der Umgestaltung meiner Person, im unverständlichen Leiden, entsteht die Glückseligkeit. Im Elend verwirklicht sich die ganze Nähe Gottes. Im tiefsten Leid formt Christus sein Heil. Darin wird das Leid zutiefst sinnvoll, weil es uns zu dem macht, was wir sind – Spiegelbild Gottes.

Wo wir uns gegen das Leid wehren, wehren wir uns gegen unsere Heiligung und Glückseligkeit. Wir stellen uns gegen das Sterben, das zum Leben führt. Im Elend begegnen wir Christus. Im Elend fangen wir an zu rufen. Im Elend wird Gott groß, weil unsere Größe klein wird. Der scheinbar unangenehme Regen begießt seine Schöpfung und bringt neues Blühen hervor. Das Unangenehme ist unsere Rettung. Wo wir im Elend rufen, haben wir Gott auf unserer Seite und die Hilfe ist sicher.

Wollen wir uns den Schmerz nicht zum Freund machen, weil wir darin unsere größte Hilfe erfahren?

Das neue Jahr ist startklar

Weil Gott sieht und hört, steht uns ein gutes Jahr bevor.

„Der Herr sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen, und ihr Geschrei über ihre Bedränger habe ich gehört.“2.Mose 3, 7

Wenn Gott sieht und hört, liegt die höchste Aufmerksamkeit auf dem Menschen. Alles was in uns und um uns geschieht ist wahrgenommen. Das was den Menschen trifft, betrifft Gott in gleicher Weise. Elend und Geschrei ist angekommen. Da ist kein Ausnahmezustand, den Gott nicht kennt, kein Seufzer, der ihm nicht im Ohr liegt. Aller Jammer liegt ihm im Herzen. Was Gott sieht und hört, ist seine Sache. Es berührt ihn, wenn sein Volk in Not ist. Bei Gott ist Empathie in Reinkultur. Er leidet, wo wir leiden. Niemand ist dem Schmerz so nahe wie Gott selbst. Unsere Not kratzt an seiner Existenz. Abgründe rufen ihn auf den Plan. Sterben ist nicht das was er wollte. Wenn Gott Elend sieht und Geschrei hört, will er das Leben erneuern. Der Liebhaber des Lebens denkt an Heil. Schöpfung heißt: Totes zum Leben erwecken. Sehen und hören ist bei ihm der Anfang der Genesung. Doch die sieht bei ihm anders aus, als wir das oft von ihm denken. Wenn Gott heilt, heilt er nicht unbedingt das Elend oder nimmt die Bedränger, sondern er gibt Christus. Er setzt nicht außen an, sondern will Menschen durchdringen. Mit Christus heilt er das belastete Herz, das erneuert dem Elend entgegen tritt. Wo Gott hört und sieht, will er in uns durch und durch gehen. Seine Liebe will das Geschwächte stark machen. Wo Christus einzieht, verliert das Elend seine Macht. 
Somit kann das neue Jahr nur gut werden. Wir haben bereits im Voraus auf alles Elend und Geschrei eine Antwort. Weil Gott sieht und hört, brauchen wir vor nichts erschrecken. Dem Glaubenden sind die Hände prall gefüllt. Wer in der Tiefe geliebt ist, weil er gesehen und gehört ist, kann nach allen Schlägen getrost aufstehen. Elend und Bedrängnis haben ihre Übermacht verloren, wo in einem geheilten Herzen Lasten in Segen verwandelt werden. Von Gott her ist das neue Jahr startklar.
Wie kann uns dieses Heil im neuen Jahr immer neu beflügeln und aufrichten? 

Blühen ist stärker

Das Aufrichten und Stärken ist immer größer, als alle Niedergeschlagenheit.
„Der Herr verstößt nicht ewig; sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.“

Klagel. 3, 31-32
Erbarmen ist Gottes großes Thema. Das ist sein Manifest gegen alle Zerstörung. Gott findet sich nie mit Leid ab. Er ist der starke Gegenpol, zu allem, was über den Menschen hereinbricht. Güte schockiert den Terror.
Menschen neigen dazu, sich vom Übel bestimmen zu lassen. Wenn ein Unglück passiert, wenn Beziehungen zerbrechen, wenn Miteinander belastet oder angefeindet ist, dann kommt oft danach der Zweifel an Gott. „Gott hat mich wohl vergessen und verlassen!“ Wo´s dick kommt, wo wir unten durch müssen, wo Glaube kein Zuckerschlecken mehr ist, da gehen uns die Lichter aus. Da konzentriert sich der Blick nur noch auf das Elend. Ganz leicht lassen wir uns in die Ausweglosigkeit buchsieren. 
Neben allen Härten, die wir erleben, steht die Güte. Das Schwere, das Böse ist von dem Guten eingekreist. Leid steht immer im Erbarmen. Das Ungute ist zeitlich befristet, durch die ewige Güte. Da ist eine permanent lebensschaffende Kraft, die das Erdrückende erdrückt und überdauert. Da ist für den Gelähmten die Aussicht, wieder auf eigenen Beinen stehen zu können; da werden sich die Blinden an der Schönheit einer Blume erfreuen können. Der augenblicklich, unerträgliche Zustand, verliert angesichts der Güte seine bedrohende Macht. Wo Gott sich erbarmt, ist das Schicksal entmachtet. Da werden wir im Leid aufgerichtet und gestärkt. Da ist die schwierigste Situation  nie mehr ohne Hoffnung. Da wird durch Christus das Leid mit Herrlichkeit verbunden. Da ist der Schmerz nicht das Ende, sondern der Anfang des Erbarmens, das wieder aufrichtet
Wo die Güte bestimmt, flieht das betrübt sein. 

Beflügelt uns in der Blindheit bereits die Farbe der Blume? 

Ohne Leiden ist ungesund

Können wir mit Krankheit gesund umgehen?
„Ich bin der Herr, dein Arzt.“

2. Mose 15, 26
Wenn Gott Arzt ist, ist er viel mehr, als ein Allgemeinmediziner, oder ein Spezialist für Schmerzbekämpfung. Er heilt nicht in erster Linie Knochenbrüche, sondern Menschen in ihrer Ganzheit. Hier müssen wir zuerst mit einigen Missverständnissen aufräumen. Wenn Gott Arzt ist, werden nicht alle Blinden sehend, können nicht alle Tauben hören und nicht alle Gelähmten laufen. An Gott glauben heißt nicht, dass niemand mehr krank wird. Betrachten wir diesen Arzt am Leben Jesu. Jesus bittet in seinen letzten Stunden, lass, wenn du willst, diesen Kelch an mir vorübergehen. Doch der Kelch musste bis zur bitteren Neige ausgetrunken werden und führte in den Tod. Für diesen Arzt war der Tod nicht das Problem. Er dachte über das Sterben hinaus. Für das Heil, das er schaffen wollte, brauchte er den Tod, dass er ihn überwinden konnte. Somit gehörten Leiden und Schmerzen zum Krankheitsbild des Erlösers. Das Heil dieses Arztes wirkt über das Sterben hinaus. Da gehört die Kreuzigung zur Therapie. Jesus stimmte diesem Heilungsprozess zu: Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe. 
Das war die Heilungsstunde für eine kranke Menschheit. Da können Menschen in ihrer inneren Zerissenheit gesund werden. Damit können Menschen in ihrer schlimmsten Lage wieder hoffen. Da wird im Leiden etwas gesund. Wo der Tod seinen Schrecken verloren hat, werden Krankheiten erträglicher. 
Dieser Arzt will keine körperliche Unversehrtheit, sondern will in einem schmerzenden Körper gesunde Menschen. Es braucht oft die Leidenswege, dass Menschen in Gott gesund werden. Die Gesundheit die Gott anstrebt ist, dass wir zu dem, „dein Wille geschehe“ durchdringen. Und das geschieht oft nicht, wenn nur die Kochen wieder ganz sind und der Asthmaanfall überstanden ist. 
Wenn der Herr mein Arzt ist, kann ich gesund mit meinen Krankheiten umgehen. Da kann gerade das augenblickliche Leiden meinem Heil dienen.
Können wir in dem, was uns tagtäglich krank macht, erkennen, wie uns daran sein Wille geschieht, der uns gesund machen will?

Leiden ist Reifen 

Wo steht, dass Leben ein Erfolgskurs ist?
„Gott, schweige doch nicht! Gott, bleib nicht so still und ruhig! Denn siehe deine Feinde toben, und die dich hassen, erheben das Haupt.“

Ps. 83, 2-3


Wenn Gott schweigt, leidet der Mensch. Wenn Gott still ist, geht der Mensch am Rande des Wahnsinns entlang. Dieses Schweigen ist unerträglich. Schweigen ist Hölle. Darin spiegelt sich die ganze Gottverlassenheit wieder. Naturkatastrophen, Krieg, persönliches Schicksal, und Gott schweigt. Das Schweigen erleben wir besonders starkt, wenn wir an unserer Hilflosigkeit leiden. Wenn wir gegen bestehende Situationen nichts mehr ausrichten können. Wir leiden. Wir empfinden Schmerz. Wir klagen. 
Erfolgsmenschen tun sich mit Leiden schwer. In unserer Vorstellung lebt der Gedanke: Erfolg ist gut – Leiden ist schlecht. Vielleicht ist es gut, sich etwas mehr mit Leiden zu beschäftigen. Adalbert Stifter sagte: „Das Leid ist ein heiliger Engel, durch das Menschen unvergleichlich größer geworden sind, als durch alle Freuden dieser Welt.“ Leiden hat einen Sinn. Sinn verwirklicht sich nicht nur in den schöpferischen Werten von etwas Gestalten und Schaffen. Sinn ist auch nicht nur die Möglichkeit zu lieben, zu erleben und zu genießen, was die großen Werte des Menschen sind, sondern auch im Leiden. Viktor Frankl  bezeichnet das Leiden als nicht nur eine Möglichkeit, sondern die Möglichkeit den höchsten Wert zu verwirklichen, um den tiefsten Sinn zu erfüllen. Er sagt: „Wo keine Handlung mehr möglich ist – die das Schicksal zu gestalten vermöchte – , dort ist es nötig, in der rechten Haltung dem Schicksal zu begegnen.“
Leiden ist eine Lernaufgabe, um zur höchsten Würde des Menschen zu gelangen. Daher muss Gott schweigen, daher muss der Mensch leiden. Jesus hat sich durch das Schweigen Gottes durchgelitten. Das musste geschehen, um die Erlösung vollkommen zu machen. Leidenswege sind Heilswege. Sie tragen, wie nichts anderes zur Veredelung des Menschen bei. 
Daher flüchten wir uns nicht vor den schmerzhaften Wegen. Lassen wir uns im Leiden zur größten Reife verwandeln. Über die Kreuzwege, macht uns Gott für seine Herrlichkeit tauglich.
Wird nicht gerade das Schweigen Gottes, für uns zum Schrei nach Erlösung?

Jubilier´mal wieder

Joh. 16, 16 + 20-23a

Was macht der Kreisssaal im Krankenhaus? Wer sagt denn, das wenn ein Kind zur Welt kommt, das eine Krankheit ist? Da sind zwar junge Mütter, die höllische Schmerzen haben, doch die sind das Vorspiel für ein faszinierendes Wunder. Wer das Baby in den Händen hält, wird nicht mehr fragen, ob das auch schmerzloser geht. Aus dem Schmerz heraus, kommt ein Bündel neues Leben. Die Geburt ist ein Verwandlungskünstler. Aus ängstlich, weinenden Augen, werden Strahlende. Wer Mutterglück wahrnimmt, braucht nicht mehr zu sagen: Lach mal wieder.

Um solch einen Zündfunken geht es heute am Sonntag Jubilate.

Wo es nichts zu lachen gibt

Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen. 20 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen…

Jetzt wissen die Jünger nicht mehr wo oben und unten ist. So kurz nach Ostern, wo sie sich wieder daran gewöhnt haben, ihren Herrn zu sehen und zu erleben, wieder so ein harter Einschnitt. Jetzt will Jesus schon wieder weg. Weg und wiederkommen. Das sieht nach einer richtigen Schock Therapie aus, als ob Jesus mit ihnen Blinde Kuh spielen möchte. Ganz nach dem Motto: ich sehe was, was du nicht siehst! Dabei ist Jesus sehen, ihr ein und alles gewesen. In seiner Gegenwart war er für seine Jünger fassbar, erlebbar und greifbar. Sie haben waren regelrecht Zuhause, als er da war. Ihn sehen, machte ihren Glauben aus, da konnten sie seine Wunder hautnah erfahren. Sie haben das leere Grab und den Auferstanden vor Augen gehabt. Das soll alles wieder vorbei sein?

Bei dieser Ankündigung, dass Jesus wieder wegwill, entstand in ihrem Kopf eine Geisterbahn. Da bricht eine ganze Welt von schrecklichen Befürchtungen über sie herein. Der Gedanke, Christus nicht mehr sehen können, war die Angst um ihren Glauben. Den Jüngern vergeht buchstäblich das Lachen. Jesus weg, Sorgen da. In diesem Augenblick kommt ihr ganzes Weltbild durcheinander. Die ganze Hoffnung, die der Auferstandene versprühte, verpufft jetzt wieder. Schnöde Welt du hast uns wieder. Der Alltag wird düster wie die Nacht und Jesus bestätigt ihre Bedenken. Schmerzen, Traurigkeit und Sorgen, das wird euer Ding sein. Ihr, als meine Jünger lebt wie jeder andere, mitten im Schrecken dieser Welt.

Doch genau in diese verzweifelte Situation komme ich zurück. Da wo es nichts zu lachen gibt, …

…wird Freude geboren

 aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll zur Freude werden. 

Was Jesus hier ankündigt, ist der unfassbare Kontrast des Glaubens. Auf dem Weg zwischen Ostern und Pfingsten, deutet er ein neues Zeitalter an. Aus dem lokal gegenwärtigen Christus, der zunächst für sein Volk da war, wird ein global alles durchdringender Christus. Für einen normal denkenden Menschen geht hier die Rechnung nicht mehr auf. Wenn sich einer entfernt und zurückzieht, kann er nicht gleichzeitig überall da sein.

Das ist die wahre Geburtsstunde des Glaubens. In seinem Gehen, stellt er für die Glaubenden seinen Geist in Aussicht. Seine Herrschaft, seine Gegenwart bekommt eine ganz neue Dimension. Nicht mehr sichtbar, nicht mehr in der Form präsent, wie bisher, sondern noch umfassender und noch näher. In diese kleine Zeit der Traurigkeit nach Ostern, setzt er einen gewaltigen Freudenimpuls. 100% reine Freude liegt in 100% Christus-Gegenwart. Christus schlägt einen Bogen, zu einer ganz anderen Realpräsenz. Damit bleibt Freude bei 100% und schrumpft nicht in der Auseinandersetzung mit der Welt auf 70% oder 30% herunter. Alles was ihn in seiner 100% Erlöserkraft ausmacht, wird auch 100&tige Freude auslösen. Was hier geboren wird, ist der Quantensprung der Christenheit.

Jesus vertröstet hier in keiner Weise auf sein letztes Wiederkommen am Ende der Welt, sondern bringt 100% Freude in das bestehende Chaos dieser Welt. Er hängt alle Freude an seiner Existenz und der neuen Form seiner Gegenwart auf. Er definiert ein Christsein, das in aller Trauer noch lachen kann. Wir werden in den täglichen Auseinandersetzungen vor keinerlei Lasten verschont, aber mitten drin ist Christus gegenwärtig. In dem täglichen Kampf bricht die Freude aus. Geht Gericht über die Welt, wird darin Heil realisiert, geschieht Auferweckung zum ewigen Leben. In der Begegnung mit Christus liegt das Zukünftige; in Christus wirkt das Zukünftige in die Gegenwart. Alles Heil konzentriert sich in der Person Christi. Im Glauben haben wir das ganze Heil; aber wir haben es bislang nur im Glauben, nicht im Schauen.

Wir haben 100% Freude und erleben dabei, dass…

…sie Schmerzen verwandelt

Auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. 

Glaubende sind Verwandelte. Sie erleben die Schmerzen, wie eine gebärende Mutter. Im Schmerz wir durch Christus das Heil geboren. Da ist ständig etwas, das zum Leben drängt und Leben schafft. Da ist der Schmerz keine eigenständige Größe mehr, die Verzweiflung nicht die Vorstufe von Untergang, sondern das Belastendende wird verformt. Der Glaube an Christus lässt das Unheilige heil werden. Da erblickt die Trotzdemfreude das Licht der Welt. Das ereignet sich genau in der Schockstarre eines belasteten Lebens. Genau dort, wo man nicht mehr so einfach sagen kann: Kopf hoch, wenn der Hals auch dreckig ist. Das ist kein billiger Trost und kein Überspielen von unveränderlichen, schrecklichen und beängstigenden Tatsachen. Da wird getrauert und gestorben, aber da wird genauso getröstet und aufgestanden. Die Freude des Überwindens überwiegt, weil wir nicht zum Lachen angestachelt werden, sondern tatsächlich Christus heilt.

Es ist ein Leben im schon jetzt und noch nicht. Es ist immer beides. In uns lebt die Trotzfreude, weil der Anwalt und Beistand des Lebens, die Neugeburt schaffen will. Wir leben in der ständigen Anfechtung mit den Ungereimtheiten unseres Daseins, wir leben in der Auflösung einer gefallenen Welt, wir leben im Geschrei unserer Tage, die uns den letzten Nerv rauben, aber darin schafft Christus seine 100%tige Gegenwart. Er verwandelt nicht die lästigen Umstände, er verwandelt uns selbst. Wir können über die Widrigkeiten unseres Lebens stöhnen und klagen, wir können unsere Schmerzen in die Welt hinausbrüllen, aber mit dem gegenwärtigen Christus lässt es sich nicht verhindern, dass darin 100%tige Freude geboren wird. Glaube ist ein Trotz-Glaube, weil er erfährt wie Leiden verwandelt wird. In Christus verwirklicht sich immer die zukünftige Welt in unserer Gegenwart.

Wir haben auch dann etwas zu lachen, wenn es der ganzen Welt zum Weinen ist. Jubelt dieses neu entstehende Leben in eure schweren Tage hinein.

Loben ist herausragend 

Glaubende durchbrechen und überwinden das Alltägliche.
„Ich will dich preisen und deinen Ruhm besingen unter den Völkern.“

Ps. 18, 50
Wir haben es hier mit einem Ausbrecher zu tun. Mit einem der voll aus dem Rahmen fällt. Er sticht aus den Menschen heraus. Wer hat denn im ganz normalen Leben solchen Grund auszuflippen? Wo können wir jubeln, wenn wir die Welt und unsere Lebensumstände betrachten? Da sind doch viel mehr Gründe zu klagen, zu verzweifeln und Jammerarien anzustimmen. Da sind doch Tage, an denen man das Leben am liebsten in die Tonne treten würde. Wo soll denn da noch ein Gotteslob aufsteigen, wo man mehr Elend, als Aufbauendes sieht.
Genau hier setzt die Kühnheit des Glaubens an. Was sehen wir? Was wollen wir sehen? Worauf konzentriert sich unser Fokus? Nicht das was sich vor unseren Augen abspielt, das was die Völker umtreibt und bewegt zählt, sondern in unseren Lebensgewohnheiten will Gott eine neue Sicht entstehen lassen. Das was Gott wirkt, geschieht nicht außerhalb unserer Lebenspraxis, sondern mitten hinein. Gott ist nicht jemand für die schönen Stunden, in denen man alles andere Übel ignoriert. Gott will genau im alltäglichen der Menschen aufbrechen. Er will uns den Blick des Darüberhinaus geben. Er will seine Hand unter unser Kinn legen und den Kopf aufrichten, dass die Augen nicht nur Morast vor sich sehen. Er sucht nach Menschen die aus sich selbst ausbrechen, die im Vertrauen auf ihn, in den Lasten und Schmerzen eine neue Sicht gewinnen. Die Blicke sollen nicht bei dem Schweren stehen bleiben, sondern mit dem Blick auf ihn, dem Leiden trotzen. Gott will das hoffnungslose Dasein durchbrechen. Er will Glauben schenken, der aus der Not heraus zum Lob aufbricht. 
Für den Glaubenden wird die Gottes Realität größer als die Eigene. Damit ist nicht das Unheil der Maßsab der Dinge, sondern sein Heil, das wie eine Fackel in der Nacht leuchtet. Wo wir ausbrechen, erheben wir uns über die Welt und müssen zu Lobsängern werden. Glaubende können diesen Mut an den Tag legen, mit dem sie gegen allen Jammer ansingen und anglauben.
Was hält uns zurück, das wir dadurch aus den Völkern herausstechen, dass wir gerade im Unheil unbekümmert unser Lob aufsteigen lassen? 

Trete mir ans Schienbein

Kurskorrekturen sind hart aber zielstrebig.

„Weise mich zurecht, Herr, aber im Gerichtsverfahren, nicht in deinem Zorn, damit du mich nicht auslöscht.“
Jer. 10, 24

Gott brennt leidenschaftlich für Recht und Gerechtigkeit. Gott liebt das Gute und hasst das Unrecht. Er hasst alles, was aus dem Ruder läuft und sich von ihm, dem Lebenschaffenden abwendet. Er glüht vor Leidenschaft gegen alles, was dem Untergang ausgeliefert ist. Sein Zorn ist seine geballte Emotion gegen Zerstörung und Tod. Sein Zorn ist keine willkürliche Entgleisung, sondern das Wissen, ohne ihn ist das Leben ausgelöscht. Gottes Zorn ist der Rettungsanker, der Schrei gegen das Verderben. Gott kann es nicht ertragen, wenn Leben zu Grunde geht.

Wenn der Mensch das erkennt, wenn er sich erkennt, kann er nur zu solch einem sonderbaren Gebet finden, wie in diesem Wort. „Weise mich zurecht“. Wer bittet schon gerne um Prügel? Wer so betet hat begriffen, wer er selbst ist; ein Mensch voller Abgründe und zu allem Unrecht in der Lage. Ihm ist bewusst, wenn Gott nicht seine Hand nach mir ausstreckt, habe ich keine Chance. Ich brauche Korrektur. Ich brauche ständig eine Kurserneuerung. Ich bin radikal abhängig von seiner Gerechtigkeit und seinem Heil.
„Deshalb Gott, fasse mich hart an, trete mich ans Schienbein, stoße mich vor den Kopf, damit ich kapiere, welch ein hoffnungsloser Fall ich ohne dich bin.“

Harte Wege sind jetzt schmerzhaft, doch meistens sind sie die heilsamen Kurskorrekturen, an denen wir wachsen. Züchtigung hat das Ziel, nicht an Gottes Gerechtigkeit vorbeizuschießen. Deshalb sehen wir Zurechtweisung nicht als persönliche Abwertung, sondern als die Zuwendung, an dem im Unheil etwas von Gottes Gerechtigkeit entsteht.

Warum sollten wir das Schwere, unter dem wir stöhnen nur kurzfristig betrachten, wenn langfristig unsere eigentliche Rettung darin liegt?

Krisen sind genial

unsere Krisen sollen Lob gebären.

Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? “
Hiob 2, 10

Eine Aussage, mit der viele ihre  Schwierigkeiten haben. Kann von dem guten Gott, Böses kommen? Niemand hat ein Problem damit, die Wohltaten Gottes anzunehmen und dafür dankbar zu sein. Das verbindet sich selbstverständlich mit der Vorstellung, die wir von Gott haben. Doch Böses annehmen?

Gott will weder Böses, noch schafft er Böses, aber er gebraucht Böses, für sein Gutes. Wir leben nun einmal in der gefallenen Schöpfung, mit allen Konsequenzen. Wir erleben an uns selbst die Grenzen unserer Menschlichkeit. Die Krise, die Schuld, das Leid, der Zerbruch bestimmen diese Welt und auch jedes fromme Leben. Im Annehmen dieser Tatsache, stellen wir uns unter Gott und seiner erlösungsbedürftigen Schöpfung. Wir leben nicht in einer Scheinwelt, in der wir uns über die Gebrochenheit des Lebens hinwegsetzen, sondern wir leben in dem Schmerz, dass Gottes heilige Welt noch angefochten und verborgen ist.

Das Böse annehmen, bedeutet sich selbst zu erkennen und zu seiner Schuldhaftigkeit zu stehen. Es bedeutet, eine heilsame Sicht zum Leid zu gewinnen. Im Leid, in Lebensbrüchen, in Schmerzen, will sich der erneuernde Christus offenbaren. Ohne Leid, ohne Böses sind wir nicht erlösungsbedürftig. Der Schmerz wird zu einem Heilmittel für die Gotteswirklichkeit. Leid lässt uns zu Gott hinreifen. Der Schmerz ist nicht das Zerbrechen an Gott, sondern unser Zerbrechen, damit Gott in uns Raum findet.

Somit sind die Krisen, das Beste, was uns passieren kann, weil wir in unser Gottesbedürftigkeit, zu unserem Heil ausreifen. Es sind die Widerstände des Lebens, die uns in Gottes Arme treiben.
In der Krise zeigt sich am stärksten, wie nahe und treu Gott ist.

Ist es nicht an der Zeit, dass genau dort, wo die Welt über uns zusammenbricht, uns die Augen aufgehen, dass gerade jetzt die Stunde des Heils in uns zu reifen beginnt?